Ebenen der Kommunikation

Ebenen der Kommunikation

Impfgegner, die sich immer mehr weigern je schlimmer die Lage zu sein scheint, verursachen immer wieder Kopfschütteln auf der anderen Seite.

Die großen Themen unserer Zeit werden umfochten wie gefühlt schon lange nicht mehr. Es gibt die Lager der Menschen mit vermeintlich gesunden Menschenverstand und die „Leugner“, die es nicht einsehen wollen und deshalb gefühlt die Welt kaputt machen. Sie verteilen die Viren, sie fahren mit Spritschleudern am Kindergarten vorbei und kämpfen für den Kohleabbau. Dabei werfen sie den gebildeten Wissenschaftlern böse Absichten vor und „wehren“ sich sogar mit Morddrohungen um „die da oben“ vielleicht en wenig einschüchtern zu können, dass die nicht sofort und unumkämpft die Weltherrschaft übernehmen.

„Diese Leugner sollten doch mal die Fakten begreifen!“ Ist die Reaktion derer, die sich klar sind zu begreifen. Argumentiert wird immerzu, natürlich mit Fakten wie der Blick in die Intensivstation, der Blick in den Wald mit den umstürzenden Fichten und blutenden Bäumen. Ganz viele Diagramme zeigen ganz viele Zahlen graphisch aufgearbeitet, die die Fakten immer perfekter darstellen. „Es ist doch so!“ erkennt man sofort. „Bedrohliche Dinge sind doch bedrohlich! Warum werden die denn immerzu geleugnet?“ Fragt man sich. Als „schwachsinnig, dumm, bekloppt!“ tut man die Leugner ab.

„Die Maßnahmen sind notwendig!, das muss doch jeder einsehen. Wir haben nun mal diese Lage in der wir uns befinden. Die Fakten zeigen das doch!“

„Können die mal einheitliche Maßnahmen beschließen“ ist ein Satz, der absolute Einigkeit unter den „Normalen“ verursacht. Fakten führen zu den Maßnahmen. Dieser Satz ist gleichbedeutend zum Satz: Der Zweck heiligt die Mittel.

Nun ist es ja so, dass man bezüglich einiger „Mittel“ Angst bekommen kann wenn zu ihnen gegriffen werden sollte. Ein Beispiel ist und war die Angst vor Lockdowns usw. Also wenn Sie mich fragen, für mich ist ganz persönlich ein Lockdown etwas gar nicht so schlimmes. Ich kann hier am Schreibtisch sitzen und in Ruhe diesen Artikel verfassen. Meiner Arbeit gehe ich im Homeoffice viel effizienter nach als früher weil ich weltweit mit anderen Kundinnen und Kunden kollaborieren kann und Reisezeiten per Definition ausgeschlossen sind. Zu Zeiten des ersten Lockdowns konnte ich auf Hauptverkehrsstraßen mit meinem Rennrad fahren ohne, dass nur ein Auto kam. In Frankfurt gab es nicht einen Disput zwischen Fahrradfahrern und Autos. Ich habe einen Garten, der ums ganze Haus herum geht. Dazu besitze ich einen Hof auf den zwei Autos passen. Für mich ist so ein Lockdown direkte Freiheit. Bis heute bin ich gerne zu Hause. Ich käme nicht eine Minute lang auf die Idee, irgendjemand hätte sich etwas einfallen lassen können um diesen Lockdown entscheiden zu können, um mich mundtot oder stimmlos zu machen; fast im Gegenteil. Hinzu kommt, dass ich als Naturwissenschaftler froh bin, natürliche Prozesse und Funktionen nachvollziehen zu können. Auch wenn ich kein Speziallist für Medizin, Chemie und Biologie bin, naturwissenschaftliche Grundprinzipien und mathematische Logik lassen vieles nachvollziehbar werden.

Auf der anderen Seite sind die Maßnahmen, die die Pandemie rechtfertigt für andere so einschneidend, dass sie außerhalb jeglicher Akzeptanzschwelle für diese Menschen ja liegen müssen. Absolut ungerecht ist dieser Zustand für Familien mit zwei Kindern in einer Hochhauswohnung ohne Balkon am Ende. Ich will mir gar nicht vorstellen was das bedeutet. Scham ist der richtige Ausdruck, der mein Gefühl hier beschreibt.

Auch kann ich nicht erwarten, dass jeder so viel naturwissenschaftliches Interesse und den selben Lebensweg geht. Also kann ich auch nicht erwarten, dass jeder zum selben Schluss kommt wie ich. Es ist auch gut vorstellbar, dass sehr schnell auch Angst eine Rolle spielt. Ich kann mir das so gut vorstellen weil ich als Naturwissenschaftler relativ schnell Angst bekomme wenn ich meine eigene Lage trotz aller Kompetenzen nicht im Griff zu scheinen habe. Ich nenne diese Angst dann Sorge. Zusätzlich muss ich zugeben, dass schon ein mal ein Schrank dadurch kaputt gehen musste, weil die Sorge um meinen Sohn auf ein Mal in Wut umschlug, weil er zu dieser Zeit wegen einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung im Krankenhaus lag. Nun habe ich mich hier ganz individuell beschrieben. Ich schreibe das hier weil ich der Meinung bin, dass der Prozess von stärkster Sorge zur Wut in meiner Lage nachvollziehbar ist. Dass ich zusätzlich ein Kerl bin, dessen Hormone mich abhalten in Trauer zu stürzen und statt dessen Sachen kaputt machen lassen darf ich bestimmt auf die Natur schieben.

Was ich eben beschrieben habe ist der Prozess Sorge-zur-Wut. Hilflosigkeit spielt hier eine Rolle. So wie die Hilflosigkeit meinen Schrank zerstörte, führt eine gefühlte Hilflosigkeit gegenüber gefühlt außer Kontrolle geratenen Wissenschaftlern und Politikern zu Sorge. Hilflos bin ich, weil ich nicht weiß wem ich trauen soll wenn ich die Wege zu den Aussagen dieser Menschen nicht nachvollziehen kann/ will.

Der Grund warum ich das nicht kann liegt daran, dass ich mir selbst nicht die Rolle dafür zuschreibe. Ich will das nicht weil ich mir die Arbeit nicht machen muss weil es eine Alternative gibt. Einfach ist hier Alternativen für die vermeintlichen Fakten der Politiker und Wissenschaftler zu akzeptieren. „Alternative Fakten“ ist seit Donald Trumps Präsidentschaft das was ich wählen „darf“ um meine eigene Hilflosigkeit direkt in die Boshaftigkeit oder Schuld anderer umzubauen.

Angenommen, zum Zeitpunkt der Lungenentzündung meines Sohnes hätte jemand es geschafft mir einzureden, es sei eine Organisation Schuld an der Pneumonie. Glauben Sie mir bitte, dass ich die Energie statt gegen den Schrank, gegen diese Organisation in Form einer Gegenbewegung kanalisiert hätte. Zumindest würde ich mit den Anti-Lungenentzündungsmachern sympathisieren.

Wenn ich den eben beschriebenen Effekt weiterspinne kann ich mir vorstellen, dass es nun Menschen gibt, die dann auch glauben könnten, dass die Kortisone, Antibiotika und Adrenaline, die mein Sohn intravenös und per Inhalation bekam ja ein tolles Geschäft für die Pharmaindustrie seien. „…Deswegen machen die Lungenentzündungen!“ würde man dann behaupten. So angestachelt würde man dann loslaufen und überall die „Lungenentzündungsmacher“ sehen. Alles was den Lungenentzündungsmachern zufällig nützlich sein könnte ist natürlich von denen auch gemacht. Sonst gäbe es ja gar keine Lungenentzündungen und so weiter.

Das eben beschriebene nennt man in der Wissenschaftstheorie den „Bestätigungsfehler“. Man glaubt gar nicht wie oft dieser auch direkt in der Forschung gemacht wird. Auch ich, der darüber gerade schreibt, ich muss mich selbst bei meiner Arbeit und Urteilen immer wieder selbst davon abhalten ihn zu machen. Das geht auch medizinischen Wissenschatlern so: Googeln Sie mal „Rotweintheorie“, wenn Sie möchten. Nur am Rande sei erwähnt, dass gute wissenschaftliche Arbeit immer nur richtige Ergebnisse erbringt wenn Studien so aufgebaut sind, dass das Ziel ist, Thesen zu widerlegen. Nur wenn sie absolut nicht zu widerlegen sind dürfen sie gelten. Das klingt kompliziert, ist aber der einzige Weg zur Näherung an die Wahrheit.

Nun heißt der Artikel ja „Ebenen der Kommunikation“. Was das alles damit zu tun hat will ich nun versuchen, zum Punkt zu bringen. Ich freue mich schon drauf wie einfach das sein wird.

Der Aufsatz „richtiger“ Studien ist wie beschrieben der „Negierte Ansatz“ (Stichwort: Thesen widerlegen). Das ist genau der Ansatz des Leugnens!!! Leugnen ist richtig!!! Jeder Klimaforscher geht mit dem Ansatz des Leugnens einer These daran: -Temperaturverschiebung über Jahrzehnte gibt es nicht-. Die Klimaforscher sind die Leugner Nummer eins! Wenn ein Klimaforscher Methan, CO2 und andere Triebhausgase irgendwie wissenschaftlich für die globale Erwärmung ausschließen könnte, dann würde er/ sie das tun. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Theorie des Klimawandels auszuschließen ist, ist allerdings so hoch, wie es sicher ist, dass alle nächsten 11 meiner Würfe zweier Würfel einen Sechserpasch ergeben werden. Also einigen sich alle Klimaforscher auf der Welt darauf, dass der Klimawandel als Fakt gelten muss. Völlig ähnlich ist das mit Corona und und und.

Was ich sagen will ist, dass Leugner und Wissenschaftler auf der gleichen Seite stehen. Warum ist die Kommunikation denn nun so polarisiert?

Meine Bitte ist, wenn Sie lieber Leser, lieber Politiker, lieber Wissenschaftler über Themen reden, die so polarisiert besprochen werden wie Corona, das Klima und so weiter, nutzen sie bitte möglichst nicht mehr Formulierungen wie „Es ist doch Fakt, dass es immer wärmer wird.“, oder „Inzwischen kann doch keiner mehr behaupten, dass es kein Corona gibt.“

Machen Sie sich doch bitte die Mühe und sagen Sätze wie: „Es wurde lange versucht zu belegen, dass Corona nur eine Erkältung ist. Niemandem konnte und kann das allerdings gelingen.“ Oder: „Man hat alle anderen Wettereinflüsse wie eine vollkommen natürliche Warmperiode als Theorie mit einbezogen. Alle möglichen Einflüsse wurden widerlegt. Es bleiben einzig die sogenannten klimarelevanten Gase als Gründe dafür, die trotz aller wissenschaftlichen Macht nicht widerlegbar bleiben.“

Glauben Sie mir, Sie treffen sich auf ein mal mit dem „Leugner“ auf einer Ebene. Vielleicht noch nicht mit Einigkeit. Aus dem polarisierten emotionalen Kampf wird allerdings auf ein mal eine Diskussion. Die Wiederkehr genau dieser Diskussionen auf Augenhöhe haben wir doch als Gesellschaft so bitter wieder nötig, oder?

Boris Eckert (41) ist verheirateter Vater eines neun jährigen Sohnes, ist beruflich Systemingenieur, Studienmacher, verifiziert technische Systeme und unterstützt promovierte Wissenschaftler durch statistische Erhebungen und methodisches Coaching